Monthly Archives: Januar 2000

Das Netz in der Hand

Wer hat nicht schon immer davon geträumt. Der Kühlschrank bestellt selbständig beim Supermarkt die gerade abgelaufene Milch. Der Supermarkt bucht ohne Nachfrage vom Onlinekonto die Rechnung ab. Und das Auto weiß abends auf dem Nachhauseweg, daß man noch beim Supermarkt die Milch abholen muß.

Endlich dringt das Internet auch in Bereiche des täglichen Lebens ein in denen es bisher aus gutem Grund nicht zugegen war. Warum sollte der Kühlschrank, der Toaster oder die Mikrowelle mit dem Internet verbunden werden. Es scheint auf den ersten Blick nicht sehr hilfreich seine Bankgeschäfte über das Display eines Küchengerätes abzuwickeln.

Und woher sollen eigentlich all die benötigten IP Adressen für die vernetzten Haushalte kommen. Adressräume wachsen ja bekanntlich nicht auf Bäumen. Solange sich niemand mit keinem auf die Einführung einer neuen IP-Version einigen kann, dauert es mit dieser Massenvernetzung noch etwas.

Und vielleicht will man ja auch die gerade sauer gewordene Milch oder den schimmeligen Käse nicht ersetzen. Wer die Bandbreite bis in die Haushalte bringen soll und mit welchem technischen Verfahren steht auch noch in den Sternen. Erst kürzlich hat sich der Powerline-Pionier Nortel überraschend aus dem Pilotprojekt zur Nutzung des Stromnetzes für die breitbandige Übertragung von Daten zurückgezogen.

Und wenn man für jeden Netzzugriff des eigenen Toasters oder des Rasensprengers die entsprechenden Onlinegebühren zahlen muß, kommt auch keine rechte Freude auf. Solange sich nicht flächendeckend eine realistische Flatrate für den Onlinezugang durchsetzt bleiben alle diese hochvernetzten Zukunftsgemälde reine Luftschlösser.

Aber nun kommt ja mit der Einführung des WAP Dienstes und der baldigen Verfügbarkeit der dazu passenden Handys der neue Shootingstar am Netzhimmel. Endlich wird es möglich jederzeit und an jedem Ort auf einem mikroskopisch kleinen Display in magerster Auflösung im Internet zu surfen. Börsenkurse, Flugpläne, Restaurantführer, Wirtschaftsnachrichten. Alles was der erfolgreiche Mensch braucht. Immer und überall jederzeit verfügbar.

Bis vor kurzem waren Handys zum Telefonieren und zum Verschicken der beliebten SMS-Nachrichten gut. Endlich kann das Telefon surfen. Zwar mit steinzeitlichem Ambiente, geringer Geschwindigkeit und zu horrenden Preise, aber immerhin. Hurra. Schon kursieren wieder die ersten Erfolgsmeldungen millionenschwerer StartUps, die mit einer WAP-Killerapplikation über Nacht zu Reichtum, Ruhm und Ehre gekommen sind.

Ob überhaupt jemand diese ganzen kleinen Internet Devices wirklich braucht wird im Überschwang leicht vergessen. Dabei leidet das Internet unter ganz anderen Problemen, die dringender zu lösen sind. Als Beispiele seien hier nur die rechtlichen Aspekte, Kontrolle oder Freiheit, Bandbreite, Nutzungskosten, Zugänge für Entwicklungsländer usw genannt.

Bevor wir nicht diese Fragen zufriedenstellend beantwortet haben, sollte man auf die Entwicklung des internetfähigen Zigarettenanzünders noch verzichten. Und auch das nicht WAP-fähige Handy von vor drei Wochen erledigt seinen ursprünglichen Job ganz hervorragend.

Der einzig interessante Aspekt an der ganzen WAP-Geschichte ist die Tatsache, das die entsprechende WML-Sprache und der begrenzte Platz des Handydisplays endlich mal wieder den Inhalt über die Form stellen und zu konsequent guter Programmierung zwingen. Back to the roots.

Ihr Web-Elch

P.S. Haben Sie es bemerkt? Es ist das Jahr 2000 und Sie können noch meine Seiten im Netz lesen. Irgendwie haben wir es ja alle gewußt. Aber Panikmache und Schwarzmalerei macht ja viel mehr Spaß …

Nur aus Hopfen, Malz, Wasser und Bytes. Das flüssige Brot fließt im Web.

Des Deutschen liebstes Getränk findet sich nicht nur an beinahe jeder Straßenecke, vor vielen Filmen und auf diversen Sportveranstaltungen (Biertrinker sind sportlicher als der Rest der Bevölkerung?). Auch im Internet breiten sich mehr oder weniger aufwendige Seiten mit dem Gerstensaft auf unschuldigen, abstinenten Bildschirmen aus. Das flüssige Brot rauscht immer ungehemmter durch die Datenleitungen.

Die erste Station unserer Rundreise durch die Welt des Netzbieres führt uns ins romantische, verträumte Sauerland. Nicht nur die Heimat der teueren, kleinen Würstchen, des Stahls und der dunklen Täler. Auch Bier wird hier in Massen gebraut und vermutlich auch getrunken.

Denn anders ist der leicht missratene Webauftritt der Veltins-Brauerei nicht zu erklären. Nach dem automatischen Verändern des Browserfensters auf 800×585 Punkte wird der Besucher von einem leicht zerpflückt wirkenden Layout empfangen. Was macht aber der Surfer mit nur 640×480 Pixeln oder einem nicht framefähigen Browser? Die Biermarke wechseln ist hier wohl angebracht.

Nach dem ersten – nur kleinen – Schrecken erwarten den bierdurstigen dann aber doch hinreichend informative Artikel zum Bier, der Firma, Events und Veranstaltungen und sonstigem Wissenswerten rund um Veltins. Die Menüs und Seiten benutzen sehr ausgiebig CSS, DHTML und JavaScript. Hoffentlich wurde an die Abwärtskompatibilität gedacht. Der Elch konnte es jedenfalls sehen.

Warum aber unter den Gastrolinks nur sowenig Schankstellen auftauchen. Und der Rest der Welt nur mit je zwei Lokalen in der Schweiz und in Griechenland erwähnt wird, bleibt wohl das Geheimnis der Sauerländer und ist in den dortigen Stauseen sicher auf ewige Zeiten begraben.

Nun aber mal etwas mehr in Richtung der Heimat des Elches. Rauf aufs flache Land. Hinein nach Bremen. Nicht nur Heimat des Fußballs, der Arbeitslosen und des norddeutschen Straßenkarnevals. Nein, auch Bierhauptstadt Norddeutschlands. Im Laufe einiger Besuche hat der Elch sich höchstpersönlich von der Qualität und Quantität des dortigen Bieres überzeugen können.

Überzeugen kann auch der Webauftritt der Becks Brauerei. Klar und übersichtlich präsentiert sich auf allen Bildschirmgrößen ein rundum informatives Angebot. Hier wird nicht nur über Bier, Gläser und das Trinken geschrieben. Auch der Sport – hier besonders der Fußball – kommt nicht zu kurz.

Wer sich nicht nur fürs Biertrinken sondern auch für körperliche Aktivitäten interessiert ist auf den Becksseiten sicher richtig. Ein gelungener Internetauftritt. Zwar nicht Spitzenklasse aber guter, solider Durchschnitt. So sollte es sein. Nicht nur Informationen zum Produkt und der Firma. Sondern auch Zusatznutzen für den Betrachter. Noch zahlt man schließlich Onlinegebühren.

Und nun die ganz andere Himmelsrichtung. Was geht denn so in München und der Umgebung (sprich Bayern) ab? Dort wird ja nicht nur dieses plörige Oktoberfestbier getrunken. Auch das Weißbier kommt von dort. Und der Webelch ist gerade im Sommer diesem Trank nicht abgeneigt.

Die Paulaner kommen als erste an die Reihe. Später am Schluß kommen wir nochmal zu einem byerischen Highlight. Es erwartet uns ein, auf den ersten Blick, klarer und durchdachter Aufbau mit gut gemachten Bildern. Sogar eine Wahlmöglichkeit zwischen Deutsch und Englisch besteht. Nicht schlecht der Bayer, der.

Zu Kaufen gibt es im Shop auch ein paar Artikelchen. Aber nichts was sich von den anderen Brauereiauftritten unterscheidet. Nur tauchen hin und wieder Fehlermeldungen und lästige Inkonsistenzen des Designs und des Layout auf. Man möchte fast vermuten hier wurde eine bestehende Site überarbeitet und ausgebaut. Dabei hat man wohl aber einige Leichen im Keller übersehen.

Na, was nicht ist kann ja noch werden. Ein Anfang ist gemacht. Der ist auch größtenteils ganz gut. Es geht bergauf. Klar, in Bayern sind ja dann auch die Berge.

So der Elch kann jetzt nicht mehr so recht in Deutschland bleiben. Hier ist er ja auch fast durch. Mitte, Norden, Süden und einen heben wir uns noch auf. Also auf, auf über den großen Teich nach Amerika hin. Die Heimat der Leicht- und Ultraleichtbiere ohne Alkohol, mit Farbe und allerlei anderem Unsinn.

Leider ist die Brauerei die wir besuchen wollten wohl gerade in den Ferien. Also bleibt nur der kanadische Auftritt der Firma Budweiser.

Der Kanadier an sich ist auf den ersten Blick wohl gesetzestreu (Hinweis für minderjährige Bierschlürfer) und interessiert sich auf den zweiten Blick wohl mehr für Sport als für Bier.

Auf den gesamten Seiten der Budweiser wird etwas über die NFL Canada, Sporttermine, Fernsehshows mit Sport, Sport hier, Sport da geschrieben. Aber irgendwie garnix übers Bier. Na schade. Die Site ist zwar technisch und gestalterisch nicht schlecht. Nur: wo ist das Bier hin?

Da bleibt der Elch lieber in Europa und schaut sich einen der Urväter des modernen Bieres an. Unser Weg führt uns also auf elektronischem Wege nach Budweis in der Tschechischen Republik. Auch wenn die neue Site schon seit für den September 99 angekündigt war. Der noch vorhandene alte Auftritt dieser Traditionsbrauerei weiß auch zu gefallen.

Klares Layout, schneller Seitenaufbau, nicht so mit grafischem Schnickschnack überfrachtet präsentieren sich viele nützlichen Informationen. Man findet die Geschichte der Brauerei ebenso wie die Öffnungszeiten und Eintrittspreise des Firmenmuseums.

Natürlich auch Termine, Events, Links und der für eine Firmensite übliche restliche Inhalt. Gut gemacht. Und der angekündigte neue Auftritt wird bestimmt noch besser. Der Webelch wartet gespannt.

Und kehrt nochmal zurück zu den Weißwürsten und Weißbieren. Im Dezember 99 wurde der monatliche y-design innovation award verliehen. An sich nix besonders interessantes. Der wird ja jeden Monat einmal verliehen. Doch diesmal wurde er an ein Bier – besser an den Internetauftritt des Bieres – vergeben.

Und zu recht. Die Seiten des Bierbrauers Maisel sind absolut top. Mit Flashanimationen, perfekt sauberen Grafiken und einer klaren, eingängigen Menüstruktur.

Hier wirkt nichts überfrachtet oder zusammengestrickt. Alles paßt wunderbar zusammen und hinterläßt einen luftigen, leichten Eindruck. Ist ja auch ganz richtig. Ein Weißbier ist luftig und leicht. Aber nicht nur die Gestaltung überzeugt auf der ganzen Linie. Auch der Inhalt der Seiten ist gekonnt zusammengestellt.

Hier waren und sind Profis am Werk. Gut so und vor allem weiter so. Vielleicht schauen sich die anderen etwas weniger innovativen Bierbrauer diese Seiten mal eingehend bei einem kühlen Blonden an. Und lernen etwas daraus. Aber nicht nur Bierbrauer. Auch für Internetauftritte anderer Branchen bietet der prämierte Auftritt von Maisel einige Denkanstöße.

So, dann man Prost!

P.S. Wer sich noch umfassender über das Bier, Brauen, Trinken und Adressen im Internet über Bier informieren will findet unter www.bier.de die wohl umfassendste deutschsprachige Website.

Weiterführende Links zum Thema
http://www.veltins.de/ Das Sauerländer Tröpfchen
http://www.becks.de/ Der Bremer Humpen
http://www.paulaner.de/ Im Süden trinkt man Weißbier
http://www.budweiser.ca/ Kanadier sind sportlich
http://www.budweiser.com/ und Amerikaner nicht erreichbar
http://www.budvar.cz/ Das Glück liegt im Osten
http://www.maisel.com/ oder vielleicht doch eher im Süden

Linktip des Monats Januar 2000

Wie wir schon oft geschrieben haben, finden sich interessante Infos rund ums Webdesign meist auch nur im Web selber. Das Magazin Dr.Web unter www.ideenreich.com/drweb.shtml bietet jede Menge gute und verständlich geschriebene Informationen zu Themen rund um das Netz. Lesenswert …

Freedom for Links

Die – an dieser Stelle bereits vorgestellte – Aktion gegen Markengrabbing beschäftigt sich mit dem Unwesen der Abmahnung von angeblich markenrechtlich geschützten Begriffen im Internet.

Freedom for Links versteht sich hingegen als Forum für einen besseren Umgang mit dem Netz und für die Entwicklung einer eigenen Netzkultur. Es werden Themen wie z.B. Markenrecht, Abmahn(un)wesen, Strafbarkeit von Links und Inhalten usw aufgegriffen und öffentlich diskutiert.

Jeder ist aufgerufen mitzumachen und seine Gedanken zur weiteren Entwicklung einer eigenen Netzidentität einzubringen. Ein – in diesen Zeiten der rechtlichen Unsicherheit im Internet – lobenswertes Vorhaben.

http://www.freedomforlinks.de